60 Teile Sand, 180 Teile Asche, 5 Teile Salpeter, 3 Teile Kreide: Das ist ein 3.500 Jahre altes Rezept zum Glasmachen. Im Mühl-und Waldviertel im Norden Österreichs sind aus diesen Zutaten transparente Kunstwerke entstanden.
Alle 50 bis 60 Jahre wurden die Glashütten aufgelassen und die Glasbläser zogen weiter, neuen Waldbeständen entgegen, die sie zum Befeuern der Schmelzöfen und zur Gewinnung der Asche brauchten, bis neue Methoden im 19. Jahrhundert feste Standorte erlaubten. Bis dahin waren Glas-Manufakturen in einfachen Hütten untergebracht. In Brand-Nagelberg im Waldviertel kaufte ein Unternehmer die kleinen Glashütten und legte damit den Grundstein für eine beeindruckende Expansion. Um 1900 wurden die kunstvollen Erzeugnisse aus dieser Werkstatt in Wien, Budapest, Mailand, London und New York verkauft. Nagelberg ist internationales Markenzeichen für Hohlgläser aus Bleikristall, die durch Gravieren, Ätzen oder Sand-Strahlen veredelt sind. Besonders prächtig sind die sogenannten Überfanggläser: Ein Glasgefäß wird mit einer Schicht andersfarbigen Glases „überfangen“, das heißt überzogen; dann werden feinste Motive aus dieser Schicht – mechanisch oder chemisch – ausgenommen, bis das zu Grunde liegende Glas klar hervortritt.
Heute wird die Nagelberg’sche Glaskultur von lebendigen Werkstätten weitergetragen. Den Meistern dieser Handwerkskunst kann man staunend beim Gestalten ihrer formschönen Kreationen zusehen. Glas für genießerische Stunden stellt die Firma Zalto her; besonders die Weingläser der Serie Denk’Art erfreuen Winzer und Experten.
Die Mühlviertler Glashütten sind für eine andere Glasveredelung berühmt: Auf einer Seite einer dünnen Glasplatte, dem schlierig-grünlichen „Waldglas“, wurden religiöse Motive aufgemalt. Man zeichnete nach Vorlagen, den sogenannten Rissen, die man unter die Scheibe legte. Durch den kristallenen Glanz des Glases entstanden besonders leuchtkräftige Bilder, die ab 1700 die Stuben von Bauern und kleinen Leuten schmückten. Es war die erste populäre Bilderwelle: Bis zu 60.000 Stück wurden jedes Jahr hergestellt und ihr Erfolg hielt bis ins 19. Jahrhundert an. Von Kraxenträgern, die sich die zerbrechliche Ware auf den Rücken schnallten, wurde dieses katholisch-religiöse Panoptikum in der ganzen Monarchie und sogar bis nach Russland gehandelt. Die Bilder – obwohl in Serie produziert – bezaubern bis heute durch Ausdruck und Naivität und haben einen Sammlerwert erreicht, der den Jahresumsatz der seinerzeitigen Hinterglasmaler bei weitem übersteigt.
LINKTIPPS:
Niederösterreich
- Glasmuseum
Andreas Apfelthaler hat in Alt-Nagelberg das größte private Glasmuseum gegründet und bietet auch Glasblaskurse für Kinder an.
www.nagelberger-glaskunst.at - Zalto Glasmanufaktur
In Neu-Nagelberg befindet sich die berühmte Zalto Glasmanufaktur.
www.zaltoglas.at/ - Stölzle Glasmanufaktur
Das Waldviertler Traditionsunternehmen Stölzle Kristall in Alt-Nagelberg produziert seit 1835 hochwertige (Blei-)Glasprodukte.
www.stoelzle.com
Oberösterreich
- Hinterglasmuseum Sandl
Tradition, Geschichte und Technik der Hinterglasmalerei in Sandl, die bis in das Jahr 1800 zurückreicht und den Ort im 19. Jahrhundert zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor und zu einem in der gesamten Donaumonarchie bekannten Zentrum der Hinterglasmalerei machte. Öffnungszeiten: 1. Mai bis 31. Oktober, Dienstag bis Samstag, 14 – 16 Uhr
www.hinterglasmuseum-sandl.at - Mühlviertler Alm
Auf der Mühlviertler Alm kann man wandern und nebenbei in die Geschichte der Glasbläserei eintauchen. In Liebenau befindet sich eine Glashütte aus dem 14. Jahrhundert. Auf der Website können bei Interesse auch Wanderführungen gebucht werden.
www.muehlviertleralm.at