Wo der Mangalitza-, Bacony- und Kübelspeck beheimatet sind

Die Alchemie des Specks

Seit Jahrtausenden beherrscht die Menschheit die Kunst, Fleisch durch Pökeln, Trocknen und Räuchern haltbar zu machen. Was in Österreich fast prosaisch als „Speck“ bezeichnet wird, ist aber sehr viel mehr: Es ist die geheimnisvolleVereinigung von Fleisch mit Salz, Feuer, Luft und Gewürzen.

In Österreich existieren so viele Arten von Speck wie es Bundesländer, Regionen, Landstriche und Täler gibt. Das macht in Summe natürlich eine Menge von „Speckosophien“, die einen halbwegs geordneten Überblick erschweren. Denn in den vielen Hoheitsgebieten des Specks regieren ebenso viele Speck-Kaiser. Und so unterschiedlich ihre Produkte auch sein mögen, hochklassig sind sie allemal, und keiner erhebt den absolutistischen Anspruch auf die alleinige Speckschaft. Die imperiale Vergangenheit des getrockneten oder geräucherten Fleisches lässt sich schon daran ablesen, dass der berühmteste Speck der Monarchie aus dem ungarischen Bakony-Gebirge stammte, wovon sich übrigens das englische Wort „bacon“ ableiten soll.

Wo also beginnen? Zum Beispiel bei Herbert Lankmaier, Besitzer einer kleinen Fleischhauerei in der idyllischen Ortschaft Grünau im oberösterreichischen Almtal. Sein „Almtaler Karreespeck“ wurde von einer Fachjury mit folgenden Worten beurteilt: „Saftig, weich und geschmeidig, sehr gut gewürzt, aber nicht überwürzt. Ein fast vornehmer Speck, beinahe zu schade nur für eine Brettljause.“ Wichtig ist für Herbert Lankmaier, dass die Schweine aus der Region kommen, denn das erspart den Tieren lange Transportwege und ermöglicht gleichzeitig die Kontrolle der Fleischqualität. Zur Herstellung des Specks wird das Karree ausgelöst und in grobem Salz sowie einer (streng geheimen!) Gewürzmischung etwa drei Wochen lang gebeizt bzw. „gesurt“. Danach wird das Fleisch an einer Schnur aufgehängt und über Buchenholz geräuchert. „Wir verwenden echtes Buchenholz und keine Buchenspäne, denn die Späne können das Fleisch scharf machen. Der milde Geschmack entsteht nur durch das ganze Holz“, betont Herbert Lankmaier. Nach dem Räuchern beginnt noch eine Phase der Nachreifung, in welcher das Karree einige Wochen lang der würzigen Almtaler Bergluft ausgesetzt wird.

Speck lässt sich grob in Karrespeck vom Rücken, Schinkenspeck aus der Keule und Bauchspeck einteilen. Aber aus welchem Teil er auch stammen mag: Speck enthält zahlreiche Vitamine, Eisen und Selen und ist für die Völker der Alpen zweifellos „artgerechte Ernährung“. In letzter Zeit besann man sich daher wieder auf Speckspezialitäten aus alten Schweinerassen, etwa dem Turopolje-Schwein oder dem Mangalitza-Wollschwein, übrigens ein Verwandter des legendären ungarischen Bakony-Schweins. Das Mangalitza war früher das führende Fettschwein bei der Ernährung der Bevölkerung der österreichisch-ungarischen Monarchie, doch mit den „fetten Jahren“ nach dem Zweiten Weltkrieg kam das magere Fleisch.

Mangalitza Schweine
Mangalitza Schweine

Dabei verlangen manche Speckspezialitäten regelrecht nach dem puren Fett, etwa der im oberösterreichischen Innviertel hergestellte Kübelspeck: Reinweiße Fettstücke werden nach dem Schlachten noch warm in einen Holzbottich („Kübel“) gelegt, worin sie in einer „Sur“ aus Salz und Gewürzen etwa sechs Wochen lang reifen. Der Kübelspeck ist wohl keine Spezialität für alle Tage, da man die verzehrte Fettschicht bald selbst anlegen würde, aber, hauchdünn geschnitten, ein Genuss, der im wahrsten Sinne des Wortes auf der Zunge zergeht. Seit der Antike ist Kübelspeck in ganz Europa bekannt, allerdings unter verschiedenen Namen, in Italien etwa als Lardo. Jeder Bauer oder Fleischhauer hat dabei seine eigene Herstellungsphilosophie.

Heute wird Kübelspeck wiederentdeckt, etwa von der Manufaktur „Bio Noah“: Die Schweine, alte, erhaltenswerte, robuste Rassen, leben in großen Freigehegen. Gefüttert werden sie – statt wie üblich mit Mais und Soja – mit ausgewähltem Getreide, Kartoffeln, Kürbis, Topinambur, Klee und Gras. Eine Besonderheit der Wollschweinrassen in Verbindung mit dieser Haltung und Fütterung ist das Entstehen ganz spezieller Fettsäuremuster. Gewürzt mit Thymian, Basilikum, Brennnessel, Bohnenkraut, Rosmarin, Estragon wird das oft verpönte Schweinefett so nicht nur bekömmlich, sondern – wie zu Omas Zeiten – sogar zu einem Heilmittel.

Neben dieser Besinnung auf das Traditionelle lässt sich aber noch ein anderer, äußerst interessanter Speck-Trend ausmachen. Von „Fusion“-Speck zu reden wäre vielleicht ein wenig übertrieben, aber das Team rund um Franz Habel, Markus Fuchs und Herbert Ehrenhöfer spielt mit Elementen der spanischen und italienischen Rohschinkenerzeugung. Das Ergebnis dieses Bemühens nennt sich Vulcano-Schinken und zählt zum Feinsten, was Österreich auf dem Specksektor zu bieten hat. Vulcano-Rohschinken ist knochengereift (15 Monate luftgetrocknet) und zeichnet sich durch mildes und edles Reifearoma sowie unglaubliche Zartheit aus. Dazu ein steirischer Welschriesling – so könnte man auch selbst monatelang „abhängen“.

Ebenfalls in der Südoststeiermark beheimatet ist der „Turmschinken“ von Gottfried Franz Fink junior. Das Rezept des friulanischen Adelsgeschlechts der Formentini wurde aus dem Jahr 1592 überliefert: Der Schinken wird mit Meersalz, Pfeffer und verschiedenen Kräutern gewürzt und reift 12 bis 24 Monate lang an der frischen, trockenen Luft über dem Steinkellertor auf der Riegersburg. Das Ergebnis sind rund 600 Rohschinken im Jahr: butterweich, süßlich-aromatisch, rund. San Daniele lässt grüßen!

Freilich ist das Trocknen des Fleisches an der frischen Luft klimatisch bedingt nicht in allen Regionen möglich. Nördlich der Alpen etwa hat es keine Tradition. In Kärnten wird sowohl geräuchert als auch luftgetrocknet. Der berühmte Gurktaler luftgeselchte Speck etwa reift hier im ersten europäischen Klimabündnistal nach dem Einwirken sämtlicher Salze und Gewürze ausschließlich an der reinen Gurktaler Luft.

Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte …

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